Nuremberg Academy Lecture 2024: Vortrag von William Schabas „Die Rätsel der Völkermordkonvention"
Professor William Schabas, Middlesex University, hielt am 21. Mai 2024 den dritten Vortrag in der Reihe „Nuremberg Academy Lectures“ mit dem Titel „Die Rätsel der Völkermordkonvention: Auch nach 75 Jahren bleiben Fragen offen“.
In seinem hochaktuellen und scharfsichtigen Vortrag hob Professor Schabas die gegenwärtige „beispiellose Zeit für das Völkerrecht“ hervor, in der rund 50 Staaten in Verfahren vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) aktiv sind, die sich mit der Völkermordkonvention befassen. In diesem Zusammenhang erläuterte er die moderne Relevanz der Konvention und zeigte die rechtlichen Gründe und Möglichkeiten von aktuell vier laufenden Verfahren auf.
Er führte aus, dass derartige staatliche Aktivitäten eine „Anerkennung der Tatsache darstellt, dass die Völkermordkonvention kein Artefakt“ seien. Es zeige sich in diesen Verfahren der bemerkenswerte Wunsch und die Bereitschaft der Staaten, Klarheit über die Möglichkeiten und wesentlichen Merkmale des Völkerrechts zu schaffen.
Trotz des ursprünglichen Konzepts der Konvention, die darauf abziele, Einzelpersonen für die Begehung von Völkermord zur Rechenschaft zu ziehen, befassten sich die laufenden Verfahren unter anderem mit komplexen Begriffen der Staatenverantwortung, einschließlich der Pflicht zur Verhinderung von Völkermord und des extraterritorialen Charakters dieser Pflicht. Professor Schabas ging des Weiteren der Frage nach, ob diese Verfahren eine Dynamik in Gang setzten, die möglicherweise die Definition und das Verständnis des Verbrechens des Völkermords im juristischen Diskurs verändern könne.
Professor Schabas erinnerte an Zeiten, in denen der IGH praktisch untätig war. Demgegenüber habe sich das Gericht heute zu einem äußerst relevanten und umstrittenen Ort der internationalen Rechtsprechung entwickelt. Er nannte Beispiele dafür, wie Verfahren vor dem IGH von den Erfahrungen internationaler Strafgerichte profitierten, die sich mit demselben Kontext befassten, wie dem Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien. Der Vortrag zeigte, dass das Völkerrecht auch angesichts der weiteren Zersplitterung der internationalen Rechtsordnung von großer Bedeutung ist. Den Abschluss bildete eine engagierte Diskussion mit dem Publikum.
Der Direktor der Internationalen Akademie Nürnberger Prinzipien, Professor Dr. Christoph Safferling, unterstrich den Anspruch der Vortragsreihe „Nuremberg Academy Lectures“, aktuelle Themen an der Schnittstelle von Völkerstrafrecht und Politik zu beleuchten. Neben der Einführung durch Professor Dr. Safferling wurden Eröffnungsreden von Katja Keul, Staatsministerin im Auswärtigen Amt (per Video), Alice Wairimu Nderitu, UN-Sonderberaterin für die Verhütung von Völkermord (per Video), sowie Dr. Thomas Dickert, Präsident des Oberlandesgerichts Nürnberg, gehalten.
Nachstehend finden Sie das Video und Fotos der Nuremberg Academy Lecture 2024.
Den ersten beiden „Nuremberg Academy Lectures“ hielten Philippe Sands zum Thema „Internationales Recht und persönliche Geschichten“, und Claus Kreß zum Thema "Der Ukraine-Krieg und das Verbrechen der Aggression“. Die Videos sind hier verfügbar.
Die Vortragsreihe „Nuremberg Academy Lectures“ befasst sich mit aktuellen Themen an der Schnittstelle von Völkerstrafrecht, Übergangsjustiz und Politik. Die Internationale Akademie Nürnberger Prinzipien lädt führende Wissenschaftler:innen und Praktiker:innen ein, einen Vortrag zu halten und in einen Dialog einzutreten. Durch diese öffentliche Vortragsreihe mit national und international renommierten Referent:innen bietet die Akademie ein Diskussionsforum für aktuelle Fragen des Völkerstrafrechts und fördert das öffentliche Verständnis fürs Völkerrecht. (km/em)