Das Verbrechen der Aggression
1945 wurde vor dem Internationalen Militärgerichtshof in Nürnberg zum ersten Mal das Verbrechen der Aggression strafrechtlich verfolgt. Der Gerichtshof beschrieb es als „das größte internationale Verbrechen“, da es „in sich alle Schrecken der anderen Verbrechen einschließt und anhäuft“. In seiner symbolträchtigen Eröffnungsrede beschrieb Robert Jackson den Prozess als den „verzweifelte[n] Versuch der Menschheit, die Strenge des Gesetzes auf die Staatsmänner anzuwenden, die ihre Macht im Staate [dazu] benutzt haben, die Grundlagen des Weltfriedens anzugreifen und die Hoheitsrecht ihrer Nachbarn durch Übergriff und Überfall zu verletzen“.
Das Nürnberger Prinzip VI (a) enthält das Verbrechen der Aggression (als Teil der Verbrechen gegen den Frieden) bei der Definition seines Anwendungsbereichs.
Um dieses Vermächtnis weiterzuführen, beteiligt sich die Nürnberger Akademie an vielen verschiedenen Aktivitäten, die danach streben, den Kampf gegen das Verbrechen der Aggression zu stärken.
Am 8. Mai 2023 wurde die Nürnberger Erklärung zum Verbrechen der Aggression veröffentlicht, in der „die internationale Gemeinschaft [aufgefordert wird …] , die Strafverfolgung von Verbrechen der Aggression sicherzustellen“. Weiterhin fordert die Erklärung „die Vertragsstaaten des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) auf […], die Bestimmungen über die Zuständigkeit für das Verbrechen der Aggression zu ändern, um sie an die Bestimmungen für die anderen Verbrechen anzugleichen, die in die Zuständigkeit des Internationalen Gerichtshofs fallen“.
2023 hielt Professor Dr, Dres, h.c. Claus Kreß, der Sonderberater des Anklägers am IStGH für das Verbrechen der Aggression, die Nuremberg Academy Lecture zum Thema „The Ukraine War and the Crime of Aggression“ (Der Krieg in der Ukraine und das Verbrechen der Aggression). Im Fokus des Vortrags stand die Notwendigkeit, der Straflosigkeit von Staatsoberhäuptern für das Verbrechen der Aggression ein Ende zu setzen. Professor Kreß unterstrich, dass man das Verbrechen der Aggression nicht als eine Art von besonderem Verbrechen betrachten sollte, das spezielle Anforderungen an die Rechtsprechung notwendig macht. Auf den Vortrag folgte ein Gespräch mit Katja Keul, der Staatsministerin im deutschen Auswärtigen Amt, die betonte, dass Deutschland die Änderung des Römischen Statuts befürwortet.
Am 20. Februar 2024, führte die Kommission der Vereinigten Staaten zu Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (Helsinki-Kommission) in Zusammenarbeit mit der Nürnberger Akademie eine einzigartige besondere Feldanhörung im historischen Schwurgerichtssaal 600 durch. Hierbei kamen führende Expert:innen zu Wort, und es wurden die Lücken in der internationalen institutionellen Architektur in Bezug auf größere Rechenschaftspflicht für das Verbrechen der Aggression bewertet. Während der Anhörung betonte Andriy Kostin, der Generalstaatsanwalt der Ukraine, dass sich die Gerichtsbarkeit auch auf die „Drahtzieher [erstrecken muss], die die Maschinerie des Bösen in Bewegung gesetzt haben“.
Die Nürnberger Akademie arbeitet weiterhin mit zahlreichen Akteur:innen zusammen, um die Bemühungen zur Ausweitung der Rechenschaftspflicht für das Verbrechen der Aggression zu unterstützen. Insbesondere sind wir weiterhin an Initiativen beteiligt, die auf eine Änderung des Römischen Statuts abzielen, um den IStGH zunehmend dazu in die Lage zu versetzen, dieses „größte internationale Verbrechen“ strafrechtlich zu verfolgen. (km)