Nuremberg Academy Lecture 2023: Vortrag von Claus Kreß zu „Der Ukraine-Krieg und das Verbrechen der Aggression"
Im Jahr 2020 hat die Internationale Akademie Nürnberger Prinzipien die „Nuremberg Academy Lectures“ als öffentliche Vortragsreihe zu aktuellen Fragen des Völkerstrafrechts ins Leben gerufen. Am 4. Mai 2023 fand im historischen Gerichtssaal 600 die zweite Nuremberg Academy Lecture zum Thema „Der Ukraine-Krieg und das Verbrechen der Aggression" statt. Der Vortragende war kein Geringerer als der renommierte Völkerrechtsprofessor Dr. Dres. h.c. Claus Kreß von der Universität zu Köln. An dem Ort, an dem das Verbrechen der Aggression zum ersten Mal in der Geschichte verhandelt wurde, sprach Professor Kreß über die Notwendigkeit, die Straffreiheit für das Verbrechen der Aggression für Staatsoberhäupter zu beenden. Er betonte, das Verbrechen der Aggression ist nicht als ein besonderes Verbrechen zu betrachten, das andere gerichtliche Voraussetzungen erfordert. Es steht gleichberechtigt neben den anderen Verbrechen, die vor dem Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) verhandelt werden, nämlich Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen. Die strafrechtliche Verfolgung des Verbrechens der Aggression ist insbesondere notwendig, um auch die Tötung von Kämpfenden oder Zivilpersonen, die nicht den Tatbestand eines Kriegsverbrechens erfüllt, unter Strafe zu stellen. Neben einer Änderung des Römischen Statuts des IStGH zur Harmonisierung der Zuständigkeitsregelung für alle vier Verbrechen, die in die Zuständigkeit des Gerichtshofs fallen, fordert Professor Kreß auch die Einrichtung eines Internationalen Strafgerichtshofs für die Situation in der Ukraine und das Verbrechen der Aggression, das auf dem Territorium der Ukraine begangen wurde.
Im Anschluss an den Vortrag erläuterte die Staatsministerin im Auswärtigen Amt, Katja Keul, die Position der Bundesregierung. Sie drängte auf die strafrechtliche Verfolgung des Verbrechens der Aggression sowie auf die Änderung des Römischen Statuts und sprach sich dafür aus, die ukrainische Justiz zu ermächtigen, das Verbrechen der Aggression mit massiver Unterstützung der internationalen Gemeinschaft zu verfolgen. Eine solche Konstruktion müsse jedoch die Immunität von Staatsoberhäuptern respektieren. Anschließend traten Professor Kreß und Staatsministerin Keul in eine lebhafte Diskussion ein und erläuterten ihre jeweiligen Standpunkte ausführlicher. Am Ende war man sich einig, in diesem einen Punkt nicht übereinzustimmen.
Die Veranstaltung wurde von der stellvertretenden Direktorin Dr. Viviane Dittrich moderiert und von formalen Eröffnungsreden von Mitgliedern des Stiftungsrats und des Kuratoriums der Akademie
- Tania von Uslar-Gleichen, Völkerrechtsberaterin und Leiterin der Rechtsabteilung des Auswärtigen Amtes,
- Marcus König, Oberbürgermeister der Stadt Nürnberg,
- Dr. Thomas Dickert, Präsident des Oberlandesgerichts Nürnberg,
- Dr. Navi Pillay, ehem. UN-Hochkommissarin für Menschenrechte und Vorsitzende des Kuratoriums der Internationalen Akademie Nürnberger Prinzipien
eingeleitet, gefolgt von einer Einführung des Direktors der Akademie, Professor Dr. Christoph Safferling.
Nachstehend finden Sie das Redemanuskript von Professor Kreß, die Rede von Staatsministerin Keul, Fotos von der Veranstaltung sowie das Video der Nuremberg Academy Lecture 2023.
Den Eröffnungsvortrag der „Nuremberg Academy Lectures“ hielt Philippe Sands zum Thema „Internationales Recht und persönliche Geschichten“, dessen Aufzeichnung hier verfügbar ist.